Die Geschichte erzählt von Dieter Hasebrink mit Fotos von Peter Pasternak
Es geschah zu der Zeit, als zu dem Einzigen Hubschraubertransportgeschwader der Luftwaffe noch eine „Seestaffel“ gehörte. Im Spätsommer 1978 wurde also wieder einmal von Ahlhorn aus auf der Insel Borkum mit drei Bell UH-1D ein „Seeflugkommando“ der 3./HTG 64 eingerichtet, um alte Fähigkeiten wieder aufzufrischen und um neue Besatzungen in die „Kunst“ des Seefluges einzuweisen. Seit ein paar Tagen schon wurde nördlich der Insel Borkum, um Helgoland herum bis zu der Forschungsplattform „Nordsee“ fleißig geübt. Wegen der Beschaffung von Ersatz- und Ausrüstungsteilen und dem Austausch einer Besatzung war an einem Abend eine UH-1D nach Ahlhorn geflogen. Am anderen Morgen, es war gerade Niedrigwasser (Ebbe), kam unser Hubschrauber wieder zurück und machte eine interessante Meldung: „Coasting out Emden“ liegt ein seltsamer Gegenstand im Watt; es könnte sich um einen Anker handeln.
Eine genauere Beschreibung konnte die Besatzung nicht machen, da nur ein Ankerblatt? und ein massives Rohr? zu sehen waren. Jetzt gab es natürlich von den übrigen Besatzungen kein Halten mehr; noch vor dem Tagesprogramm wollten alle den seltsamen Fund sehen. Langsam lief aber das Wasser wieder auf und so konnten die Besatzungen auf dem Flug zu ihrem „Übungsgebiet“ (mit einem kleinen Umweg) nur noch einen kleinen Teil des Ankers? sehen.
Natürlich wurde währen des gesamten Tages über den seltsamen Fund gefachsimpelt: was ist das überhaupt für ein Teil? Vorschläge, was man alles anstellen könnte, gab es reichlich. Während der Mittagspause wurden deshalb, ganz vorsichtig, einige Informationen bei den Kameraden der Marine eingeholt; die durften auf keinen Fall von dem Fund erfahren! Auf Nachfrage seitens der Marine sagten wir nur: wir interessieren uns eben auch für Dinge, die nicht unbedingt mit Hubschrauber zu tun haben. Ob sie zu diesem Zeitpunkt schon etwas geahnt haben? Das Marinefliegergeschwader (MFG) 5 aus Kiel-Holtenau unterhielt zu dieser Zeit noch ein ständiges SAR - Kommando auf der Insel mit Sikorsky Sea Kink Mk 41 und war deshalb immer Präsent! Jedenfalls haben wir dann am Abend im Hafen von Borkum einmal bei einem Bier bei „richtigen“ Seemännern nachgefragt. Dabei kam heraus, es handelt sich bei unserem Fund ganz offensichtlich um einen „Stockanker“; was uns zu diesem Zeitpunkt, ehrlich gesagt, noch nicht viel sagte!
Etwas Später kam nach gezieltem Nachfragen auch eine Größe heraus: nämlich ein Gewicht von etwa 1200 Kg! Damit war klar, der Anker soll geborgen werden und zwar von uns! Aber wie stellen wir es an? Es gab da nämlich noch ein Problem: der Anker war ja zum Teil noch im Watt verborgen, es musste also versucht werden, ihn so weit wie möglich „freizulegen“. Das ging natürlich nur bei Niedrigwasser. Im Rahmen der Ausbildung „Außenlastflüge über See“ wurde ein Plan entwickelt. Eine UH-1D wurde „leergemacht“, das heißt, nur der gerade benötigte Kraftstoff und die Ausrüstung für die Außenlastaufnahme bleiben an Bord. Dazu ein erfahrener Hubschrauberführer und der BTO. In einer zweiten UH-1D sollte eine „Arbeitsmannschaft“ mit Hacke und Schaufel plus Fotograf dann vor Ort geflogen werden und mit dem Ausgraben beginnen.
Der Zeitpunkt ist gekommen: Niedrigwasser! Die Arbeitsmannschaft wird bei dem Anker abgesetzt und beginnt zu arbeiten. Bestimmt keine leichte Arbeit, weil zu alledem auch noch der Sand mit dem Restwasser immer wieder in die Grube läuft! Nach einiger Zeit sollte es aber klappen und so wurde der „Bergehubschrauber“ gerufen.
Der Hubschrauber ging über dem Anker in Position und die Last wurde eingehängt. Jetzt lag es an der Besatzung des Hubschraubers, den Anker auch aus dem Watt zu holen. Anfangs stand die UH-1D wie angewurzelt senkrecht über der Last! Wer die UH-1D kennt (und wer tut das nicht) weiß, dass im Instrumentenbrett ein kleines Instrument große Bedeutung hat: die Drehmomentanzeige und die kann zum Problem werden!
Gott-sei-Dank war zu dieser Zeit noch ein Gerät der ersten Generation eingebaut. Zwischenzeitlich hatte der HF keine große Mühe, den Hubschrauber über dem Anker zu halten, denn der bewegte sich vorerst um keinen Millimeter!
Erst ein letzter energischer Arbeitseinsatz der Bodencrew und ein Zeiger am roten Strich brachten Erfolg: erst blubberte es nur um den Anker herum aber dann kam er frei! Aufatmen bei allen Beteiligten. Zu dieser zeit ging der Blick des BTO´s nur noch zwischen Anker und Dremomentanzeige hin und her; der HF sprach aber auch so undeutlich! Der Rückflug zum Stützpunkt nach Borkum und ablegen des Ankers auf dem vorgesehenen Platz war dann nur noch Routine. Die Anlandung des Ankers brachte auch sofort die Sea King Besatzung auf den Plan.
Erste Ansage: der Anker ist Marineeigentum und deshalb gehört der Anker uns! Das konnten wir so nicht stehen lassen! Der Rest des Tages verging mit juristischem hin - und her. Das Kommando machte diesem Tauziehen ein Ende, denn der Anker wurde frühmorgens auf einem unserer LKW verladen (welch ein Zufall, der sollte sowieso nach Ahlhorn fahren) und ab ging es auf die erste Fähre Richtung Festland.
Da half beim Morgenkaffee auch wenig das Lamentieren der Marineflieger; der Anker war weg!
So hat dieser Stockanker von 1978 bis 1993 den Eingang zur 3./HTG 64 (später 2./HTG 64) vor Halle 4 und, vorübergehend, den Eingang vor Block 47, eingerahmt von zwei Seezeichen (Backbord- und Steuerbordtonne), geschmückt.
Von 1993 bis 2010 waren dann der Anker und die Seezeichen der „Hingucker“ in Hohn vor der 2./LTG 63.
Eine Bemerkung noch am Rande: nach einer ersten gründlichen Säuberung noch in Ahlhorn kam auch das richtige Gewicht zum Vorschein, nämlich 1450 Kg, so steht es auf dem Anker! Aber das war dann auch egal!
Der Anker hat nun endlich seinen gebührenden Liegeplatz gefunden. Er ziert den Eingang zum Museum der Traditionsgemeinschaft Fliegerhorst Ahlhorn e.V. vor dem Hotel „Altes Posthaus“ in Ahlhorn. Auch die Seezeichen (zur Zeit Zeit in „Überholung“) werden noch zeitnah aufgestellt.
Nach der Kündigung der Räume des alten Museum zieht das Museum nun auf den ehemaligen Fliegerhorst, jetzt „Metropolpark Hansalinie GmbH“. Dort wird der Einzug in ein historisches Gebäude von 1916, direkt an der Straße nach Vechta, vorbereitet. Der Anker und die Seezeichen sind schon vor dem Gebäude aufgestellt.
Der aktuelle Liegeplatz des Ankers am "neuen" Museum